Bestattungskultur im Wandel

Gespeichert von admin am Mi., 03.10.2012 - 04:15

Sehr geehrter Herr Dr. Hauke,

sehr geehrte Damen und Herren!

Ich stamme nicht nur altersmäßig aus dem vorigen Jahrhundert. Für die moderne Art der Gesprächsführung, in der einer den andern nicht ausreden lässt, kein angerissenes Thema zu Ende gebracht werden kann und keine Erklärung verstanden werden kann, bin ich nicht der richtige Mann.

Weiterhin bin ich seit meiner Jugend kein Freund des Katholizismus und empfinde die katholische Kirche wohl genauso fremd, wie Sie mich als Gottlosen als exotisch wahrnehmen.

Zu Ihrem vorgesehenen Thema „Bestattungskultur im Wandel“ kann ich nur meine individuelle Geschichte – auch nur auszugsweise – vortragen; denn die vorgegebenen 10 -15 Minuten mögen ausreichen, sich in einer konformen Gruppe stichwortartig zu unterhalten, aber sie reichen nicht, um unterschiedliche Ansätze adäquat aufzuzeigen. Außerdem werden weder meine Rednerkollegen noch der derzeitige Zeitgeist der konfessionslosen Menschen voraussichtlich mit mir übereinstimmen. Die von mir vorgeschlagenen Kollegen in unserem vorangegangenen Schriftwechsel sind als viel repräsentativer einzuschätzen.

Dennoch habe ich mich überreden lassen, hier zu sein, weil ich mein Leben lang ähnliche Gefühle und Leidenschaften hatte und noch habe, wie Bertrand Russell sie formuliert hat: Verlangen nach Liebe, Drang nach Erkenntnis und unerträgliches Mitgefühl für leidende Menschen.

Soweit ein paar unwesentliche Vorbemerkungen.

 

Da Ihr Programm bedauerlicherweise dem Zeitgeist unserer modernen Zeit folgt, habe ich mich entschlossen, in meinem Vortragsentwurf die geforderten 10 Minuten nicht zu überschreiten, auch wenn vieles deshalb sehr unvollständig und unverständig bleiben muss.

 

Teil 1 : Meine Zeit vor meinem Eintritt in die Bestattungskultur

Mein mich wesentlich prägender Volksschullehrer sprach gerne von den „väterlosen Söhnen“, die der Krieg zurückgelassen hatte und die er nun erziehen müsse. Dabei machte er einen großen Unterschied: Die „väterlosen Söhne“ denen der Krieg den Vater geraubt hatte – etwa 20% der Klasse – würden mit Hilfe seiner Erziehung und Unterstützung noch eine Chance im Leben haben. Dafür setzte er sich auch ein. Aber die, welche ohne Vater – durch Trennung der Eltern -aufwuchsen, hatten keine Chance und er weigerte er sich, sich für sie überhaupt einzusetzen. Ich war das einzige Trennungs/Scheidungskind in der Klasse mit 48 Jungen. Für mich tat er nichts.

 

Meine bigotte fromme Mutter tat alles, um den fehlenden Vater durch den „Vater im Himmel“ zu ersetzen. Ich glaubte ihr lange Zeit. Aber der Vater im Himmel tat auch nichts für mich, dem ewig hungrigen, dürren „Knöchel.“ (Das war mein Kinder- und Jugendspitzname wegen meiner Magerkeit und beginnenden Rachitis.)

Ich warf mich ihm zu Füßen und wurde freikirchlicher Pastor nach fünfjähriger Ausbildung. Über 10 Jahre war ich als ordinierter Geistlicher tätig mit mäßigem öffentlichen, aber großem inhaltlichen Erfolg. Dieser Spagat im Leben begleitet mich bis heute.

Weil die „Vaterei“ sich ständig in mein Leben einmischte und die Folgen eine chronische Magenreizung war, die medikamentös behandelt werden musste, schloss ich das „Vaterthema“ – damit auch die Theodizee-Frage -für mich grundsätzlich ab. Wenn der göttliche Vater sich nicht um mich kümmerte warum soll ich mich um ihn kümmern? Ich ging in die soziale Arbeit.

 

Teil 2: Mein Leben mit der Bestattungskultur

An 06.02.1987 absolvierte ich eher zufällig meine erste Trauerfeier im Bestattungsinstitut Koop. Eine gute Freundin hatte ihren Partner durch Tod verloren und wollte mich als Redner. Herr Koop sen. wurde so auf mich aufmerksam und engagierte mich für kommende Trauerfeiern, zumal „sein Redner“ Herr Heinrich Gerken, Lehrer und Vorsitzender der Bremerhavener Freidenker, kurzfristig danach verstarb.

Der Gegensatz zwischen meiner Arbeit und der vorgefundenen Bestattungskultur war enorm. Ich orientierte meine Arbeit Stück für Stück inhaltlich an den Wünschen der „Auftraggeber“, also der Hinterbliebenen. Für die Bestatter war es schwierig, mich zu engagieren, denn ihr Geschäftsmodell war: Beachte immer was traditionell geboten ist, während meine Überzeugung heißt: Wer zahlt, bestimmt was getan wird.

Der Ausbildungsreferent der Bremischen Kirche, Dr. Klaus Dirschauer, hatte zu einem Symposium eingeladen. Er hatte schnell gemerkt, dass ich von der „Vaterei“, die ganz besonders im Todesfall immer wieder nachgefragt wird, keine Ahnung hatte. Klar und eindeutig warnte der moderne, tolerante Kirchenmann die Bestatter, mich zu engagieren.

Mitte der 90er Jahre gründeten etwa 40 Redner die Bundes-Arbeitsgemeinschaft Trauer- Feier (BATF). Ich war Gründungsmitglied. Meine Intention war, dass die konfessionsfreien Trauerfeiern ein grundlegendes Fundament bekommen und „es nicht nur besser machen wollen, als die Pastoren“. Die Kollegen sahen es anders. Ich trat bald wieder aus.

Ich konnte die Qualität meiner Arbeit nur aufrecht erhalten, wenn ich eine Kapazitätsgrenze nicht überschritt. Die Arbeit an der Trauerfeier ist für mich ein psycho-sozialer Auftrag, der individuell und sozial konstruktiv abgearbeitet werden muss. Ich bewundere die Kollegen, die über 300 bis 500 Trauerfeiern pro Jahr schaffen. Ich bin unfähig für ein solches Arbeitspensum.

In den neunziger Jahren habe ich durch Heranziehung eines Kollegen den Arbeitsdruck auf mich wesentlich entlasten können. Im neuen Jahrtausend hat ein Bestatter eine Kollegin mit auf den freien Markt gebracht, so dass wir zur Zeit drei Kollegen sind, die den freien Markt in Bremerhaven und näherer Umgebung bearbeiten.

Ich habe in den 25 Jahren über 4000 Trauerfeiern durchgeführt. Im Bestattungsinstitut Koop haben wir seit 1996 eine jährliche Gedenkfeier für die nicht kirchlich Bestatteten eingerichtet. Insgesamt habe ich 8 Jahre Hinterbliebenen-Betreuung in verschiedenen Gruppen durchgeführt, die mehrere Nachahmer in den verschiedenen Kirchen gefunden haben.

Bemerkung: Eine Reihe von Einzelberatungen wurde umso wirkungsvoller und hilfreicher, je stärker ich den „vaterlosen“ Aspekt des erwachsenen Lebens in den Vordergrund schob.

Vielleicht können Sie verstehen, weshalb ich im Laufe meines Lebens eine zunehmende psychische Allergie gegen das Vaterunser entwickelt habe, denn Hanna Wolff hat schon vor über 30 Jahren festgestellt: „Die eigentliche Wurzel aller Neurosen, das ist unsere These, ist die Weigerung, voll erwachsen und damit voll verantwortlich zu werden.“

Hanna Wolff :Jesus der Mann, Stuttgart, 1988

 

Meine Zeit ist um. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Uwe Peters, Jierweg 18, 27619 Schiffdorf, Tel: 04706 750 887,

www.freier-redner.de, www.elohim.io

 

Warum der „Vater im Himmel“ bei der Trauerverarbeitung nur stört und keine Hilfe ist.

Keine religiöse oder Quasi-religiöse Veranstaltung, in der nicht wenigstens einmal das Vaterunser gemurmelt wird. Meistens wird es so eingeleitet, „Lasset uns beten, wie es der Herr selbst uns gelehrt hat.“

 

Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name
Dein Reich komme
Dein Wille geschehe
wie im Himmel so auf Erden
Unser tägliches Brot gib uns heute
Und vergib uns unsere Schuld
wie auch wir vergeben unserer Schuldigern
Und führe uns nicht in Versuchung
sondern erlöse uns von dem Bösen
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen.

 

Vater unser, der du bist im Himmel
gereinigt werde dein Name
Wir sind steinreich, komm ey,
unser Wille geschehe wie in Chile so auch in Schweden
Deren tägliches Brot gib uns heute
und vergib du ihnen doch ihre Schulden,
wie auch wir vergeben unsere Kredite
Und führe keine Untersuchung,
sondern gib die Erlöse uns von den Börsen
Denn wir sind reich, ham die Kraft und die Herrlichkeit
und sie bleiben immer die in Ewigkeit Armen.

Hagen Rether

 

Vater unser, der du bist im Himmel
und dich um nichts auf dieser Erde kümmerst
Deine Illusionen werde durch Traditionen
in der Epigenetik fester und fester verankert
damit der nächste Untergang der Welt
unsere Versorgung mit Sicherheiten und Lebensmittel überflüssig macht.

 

Und vergib uns unseren Lebenswillen
wie auch wir den Überlebenswillen anderer vernichten,
denn du liebst den Tod
Und führe uns nicht in Versuchung verantwortlich zu handeln
sondern erlöse uns von Vernunft, Liebe und Mitleid
Denn dein ist die Dummheit, Fanatismus und Grausamkeit
und die dazu gehörenden Rechtfertigungen, im Ewigkeit Amen

Uwe Peters, 24.08.2012