Häuptling Seattle

Gespeichert von admin am Do., 13.09.2012 - 04:12

Gedanken zum Tode eines Menschen mit einem großen Garten und vielen Tieren, im Gespräch mit seinen Angehörigen:

Als wir zusammen saßen und Sie mir von dem Verstorbenen erzählten, schweiften meine Gedanken zu einem Text von 1854. Häuptling Seattle von den eher kleineren Stämmen der Suquamish und Duwamish Indianer antwortet auf die Anfrage, „Land an den Staat USA“ zu verkaufen. In einem kleinen Büchlein mit dem Titel: „Wir sind ein Teil der Erde“ ist die Rede abgedruckt.

Ich zitiere einige Passagen:
„Die Toten der Weißen vergessen das Land ihrer Geburt, wenn sie fortgehen, um unter den Sternen zu wandeln.
Unsere Toten vergessen diese wunderbare Erde nie, denn sie ist des roten Mannes Mutter. Wir sind ein Teil der Erde, und sie ist ein Teil von uns.
Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, die Rehe, das Pferd, der große Adler – sind unsere Brüder.
Die felsigen Höhen, die saftigen Wiesen, die Körperwärme des Ponys – und der Menschen – sie alle gehören zur gleichen Familie.“

Zuerst erinnert der Häuptling Seattle an die Verstorbenen und macht die unterschiedlichen Vorstellungen der Indianer und der Einwanderer, der Weißen, deutlich. Die Einwanderer sind alle christlich geprägt. Der christliche Glaube erzählt, dass die Verstorbenen im Himmel und bei Gott sind.

Die Christen erfreuen sich an den Geschichten vom „kleinen Prinzen“ und erzählen ihren kleinen Kindern, dass Oma und Opa jetzt ein Stern sind und von dort die Lebenswege der Kinder beobachten und verfolgen.

Die große christliche Frage, was ist nach dem Tode und alle Spekulationen über Himmel und Hölle, über Wiedergeburten und ewiges Leben, dagegen kennen der Häuptling Seattle und seine Indianer nicht.

Der Häuptling Seattle kann mit diesen Vorstellungen und Spekulationen auch nichts anfangen. Er lebt nur einmal und bleibt auch im Tode ein Teil der Natur, die er geliebt hat und in der er sich wohlgefühlt hat.

Für ihn gibt es nur eine Welt und die versteht er als die diesseitige Welt, die er mit seinen Sinnen erfasst hat.

Er begreift die Wirklichkeit des Lebens mit seinen Sinnesorganen und nicht mit den Möglichkeiten der Logik und Spekulationen.

Die Weißen haben ein System der Logik entwickelt, bei dem der logische Verstand der Maßstab des Lebens geworden ist und genau diese Logik das Leben bestimmt. So mindestens sollte es nach Kant sein.

Der katholische Weihbischof Dr. Hauke aus Erfurt wird im September 2012 nach Bremerhaven kommen und über den Umgang mit Sterben und Tod referieren.
Er wurde gefragt, „warum ist es möglich, dass ein Jugendlicher eine Waffe in die Hand bekommt und damit andere Menschen töten kann? Warum lässt Gott so etwas zu?“

(Die Frage an ihn bezog sich auf den Amoklauf in einer Erfurter Schule am 26.04.2002 mit 17 Toten.)

Antwort: „Wir werden es letztlich nicht beantworten können.

Der Weihbischof Dr. Hauke findet bei seinem hilflosen Christengott keine Antwort auf eine solche grundlegende Frage.

Für Häuptling Seattle und seine Stämme sind solche Fragen und solche Antworten überhaupt nicht vorstellbar. Für ihn stellt sich eine ganz andere Frage, nämlich wie man auf solche Ideen und Fragen kommt, dass ein Gott diesen Amoklauf zulassen oder verhindern könnte?

Für ihn gibt es kein Jenseits, keine Metaphysik und keine Wirklichkeiten, die sich nur auf Denken und Logik begründen.

Sie haben mir von den Gärten erzählt, welche Sie miteinander in der Zeit vom Anfang der 80er Jahre bis Ende der 90ger Jahre des vorigen Jahrhunderts bewirtschaftet haben.

Sie haben mir von den bis zu 150 Kaninchen erzählt, die Sie in ihren Boxen aufgezogen und versorgt haben. Sie haben mir von den etwa 60 Flugenten erzählt, von den etwa 10 Gänsen, den 20 Putern, den 30 Masthähnchen und vom eigenen Brunnen im Garten. Sie haben selber Heu gemacht und sind meistens gegen Mitternacht ins Bett gefallen.

Ich frage Sie: „Kann ein Mensch mit einem solchen Lebensprogramm überhaupt auf die Idee kommen und in einer Schule Schüler und Lehrer erschießen, wie in Erfurt?

Der Häuptling Seattle hat sehr genau die unterschiedlichen Kulturen beobachtet und schildert uns eine Lebensweise, die Lebensweise der Indianer, die solche Exzesse gar nicht erst entstehen lässt.

- Die Grundlagen der indianischen Kulturen, Häuptling Seattle schildert sie sehr genau, sind Leben als Gabe und Aufgabe auf dieser Erde. Sonst nichts.

- Die Grundlagen der christlichen Kultur sind der Tod und Spekulationen danach, der Tod des Gründers (Jesus) am Kreuz und die Idee einer Auferstehung. Ist die christliche Religion eine „Todesreligion“?

Ich wiederhole die Wörter des Häuptlings Seattle, der uns seine ganz anderen Lebensgrundlagen, also seinen Glauben schildert:

Wir sind ein Teil der Erde, und sie ist ein Teil von uns. Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, die Rehe, das Pferd, der große Adler – sind unsere Brüder. Die felsigen Höhen, die saftigen Wiesen, die Körperwärme des Ponys – und der Menschen – sie alle gehören zur gleichen Familie.“

Unsere christlich wissenschaftliche Welt behauptet immer noch, dass es einen ganz konkreten Unterschied zwischen den Tieren und uns Menschen gibt. Der Mensch sei die Krone der Schöpfung.

Als Dr. Michael Schmidt Salomon im vorigen Jahr in der Hochschule einen Vortrag hielt mit dem Thema: „Der Mensch, ein nackter Affe“, wurde das Thema nach dem Vortrag ganz schnell totgeschwiegen. Die Religionen haben uns ja gelehrt, dass der Mensch sich wesentlich von den Tieren unterscheidet. Der Unterschied liegt darin, dass der Mensch seinen Verstand mit Hilfe der Logik und der Sprache benutzen kann.

Sie haben mit vielen Tieren zusammengelebt. Die Blödheit, zu der Menschen fähig sind, wurde von keinem Ihrer Tiere jemals erreicht.

Der große Theologe Albert Schweitzer, der in seiner „Leben-Jesu-Forschung“ nachgewiesen hat, dass es diesen Jesus als Menschen niemals gegeben hat, hat sein eigenes Lebensbekenntnis so formuliert und kommt damit dem Häuptling Seattle sehr nahe: „Ich will leben inmitten von Leben, das leben will!“

Dieser lebenswerte Grundsatz hat ihn natürlich nicht davor bewahrt, dass die zahme Sumpfantilope, die er nach einem Beinbruch gerettet hatte, sein mühsam erstelltes handschriftliches Buchmanuskript in einer Nacht aufgefressen hatte…

Uwe Peters, 14.08.2012