Rituale 4

Gespeichert von admin am Do., 30.07.2015 - 00:09

Zur Trauung möchten wir gerne den Segen Gottes haben, machen Sie so etwas auch?“ „Wir sind der Meinung, eine Ehe braucht langfristig den Segen Gottes.“ „Wir wollen unsere Ehe mit dem Segen Gottes beginnen, das kann doch nicht schaden?“

Diese Bitten und Wünsche werden an mich herangetragen, obwohl fast überall klar ist, dass ich mit Gott und Religion nichts mehr zu tun haben möchte. Einerseits zeigen die Wünsche, dass diese Aussagen traditionell motiviert sind und andererseits zeigen sie auch, dass Traditionen in der Regel das lebendige Denken verhindern.

Untersuchen wir den Sachverhalt:

  • Einerseits haben wir in moderner Zeit genügend breit gestreute praktische Informationen darüber, dass die „Ehen mit oder ohne Gott“ die gleichen Haltbarkeitszeiten haben. Der Einfluss Gottes auf eine Trauung und Ehe ist nicht erkennbar und Untersuchungsergebnisse darüber werden nur von den jeweiligen Vorlieben und Vorprägungen des Untersuchers bestimmt.
  • Anderseits ergibt sich ein ganz praktisches, logisches Problem. Alle Gottesvorstellungen gehen davon aus, dass der jeweilige Gott irgendwie ein fester und unverrückbarer Pol in der Welt ist.

Im Neuen Testament heißt es: „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“ (Hebräer 13: 8-9).

Alles was mit Gott zu tun hat, hat Dauer. Das gilt auch für den dreieinigen Gott. Die zentrale Wahrheit über die Dauer betrifft immer Gott (1. Korinther 15:28). Dieses Moment der Dauer ist also auch die tiefere Motivation für den Wunsch nach der Beteiligung Gottes in Trauung und Ehe. „Wenn Gott dabei ist, habe ich eine Unterstützung in meinem Wunsch, dass Liebe und Glück andauern.“

Dieser Wunsch ist immer hochgefährlich; denn er gibt einen Teil meiner totalen Verantwortung für Liebe und Dauer der Ehe an eine andere (höhere) Instanz ab.

Ohne diese grundsätzliche Behauptung der Dauer würde ein wesentliches Element aller Gottesvorstellungen zusammenbrechen. Wer über Gott nachdenkt, denkt auch automatisch an Dauer und damit auch an einen Gegensatz zum flexiblen und veränderlichen menschlichen Erscheinungsbild.

Die Theologen haben das so formuliert: „Gott ist immer der ganz andere!“ (Karl Barth)

Daraus ergibt sich unter anderem die konkrete Frage: Wie kann ich mit „dem ganz anderen“ (Gott) in eine strukturierte und verlässliche Beziehung – trotz meiner Zufälligkeiten - kommen? Wie bekommen wir diese unüberbrückbare Kluft zwischen uns dennoch überbrückt?

Das kann doch nur so funktionieren, wenn ich meine Zufälligkeiten und Flexibilitäten, „mein Chaos“, in ein statisches und gleichförmiges Konzept hinein bringe, welches dann ebenso dauerhaft ist, wie der von mir ausgedachte Gott. Erst wenn ich Dauer in mein Leben hinein bringe, werde ich Gott ähnlich.

Überzeugte Fundamentalisten versuchen genau dies. Fundamentalismus ist der Versuch Dauer zu erzeugen. Dabei sagt der Chinese Laotse schon im 6.Jh. v. Chr.: „Auf der Welt gibt es nichts, was weicher und dünner ist als Wasser. Doch um Hartes und Starres zu bezwingen, kommt nichts diesem gleich.“

Die Dauer Gottes, die als das Harte und Starre in der Sprache Laotses erscheint, und die Flexibilität des Menschen können jedoch keinen gemeinsamen Bund miteinander eingehen. Die Zufälligkeiten, Komplexitäten und ihre gemeinsamen Wechselwirkungen im Leben der Menschen lassen das nicht zu. Wir Menschen haben immer eine unverfügbare Zukunft vor uns.

Gott kann ich nicht verändern, also muss ich mich verändern. Ich muss also meine menschliche Flexibilität zugunsten einer statischen und festen Lebensführung aufgeben. Die menschliche Flexibilität und Kreativität hat aber nach allgemeinen vernünftigen Erkenntnissen das Überleben der Menschheit während ihrer gesamten Entwicklungsgeschichte gesichert. Die Rückbezüglichkeit auf Gott – und seine Dauer – nimmt uns genau das, was die Garantie unseres Lebens war und ist: Flexibilität und Kreativität.

- Drittens nimmt der Mainstream der Christen die praktischen Erfahrungen und logischen Schlussfolgerungen nicht zur Kenntnis. „Was, Ihr habt in der Kirche geheiratet, so mit Pastor und Glockengeläut? Wie entzückend! Welche Verbindung habt Ihr zur Religion?“ „Gar keine. Ist doch alles Blödsinn. Aber die Trauung war so schön feierlich…“

Der Mainstream behauptet steif und fest: „Deutschland ist ein christliches Land!“

Wer in einem solchen zwiespältigen Denken lebt, muss sich nicht wundern, wenn auch sein „Ja-Wort“ in der Trauung nichts wert ist. Da kann dann auch der Traum von der Mithilfe des ewigen und unwandelbaren Gottes nicht helfen.

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