Der Philosoph Odo Marquard sagt: „Rituale (wirken) auf Grund ihrer faktischen Geltung, sie gelten, weil sie schon galten.“ Rituale beruhen also auf Tradition, und Tradition beruht auf Dauer.
Der Satz von Immanuel Kant: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ ist zur Grundlage der Aufklärung geworden.
Odo Marquard begründet Rituale jedoch mit „ihrer faktischen Geltung, die auf Tradition beruht“ und nicht auf „vernünftig nachvollziehbare Gründe“, also Gründe, die der Verstand legitimiert. Um den von mir geschätzten Philosophen dennoch zu verstehen, müssen wir uns den Kontext seiner Arbeit ansehen:
„In ihrem Mittelpunkt steht die Feststellung, dass die durch Sterblichkeit bedingte Lebenskürze des Menschen grundsätzlich alle Bestrebungen legitimiert, sich in beliebigem Umfang von faktisch vorgegebenen und damit kontigenten Lebensordnungen und –orientierungen zu distanzieren, um sie zunächst kritisch auf ihre Legitimität hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern. Als hinfälliges Mängelwesen bleibt der Mensch nach Marquard stets darauf angewiesen, überwiegend an konventionelle Vorgaben anzuknüpfen und seine konstitutionellen Unzulänglichkeiten zu kompensieren…“
(wikipedia, Odo Marquard, -Denken - )
Mit Odo Marquard bin ich (das Mängelwesen) gerne bereit die faktische Geltung, die auf Tradition beruht, anzuerkennen. Gleichzeitig stelle ich mich dem Auftrag der Aufklärung, den Odo Marquard bestätigt, nämlich in beliebigem Umfang Traditionen „zunächst kritisch auf ihre Legitimität hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern.“
Ganz praktisch bedeutet das für mich, dass ich natürlich an der Tradition festhalte, bedeutende Lebensübergänge der Menschen gestalterisch und feierlich zu begleiten. Die Gestaltungen und die Inhalte der Feier sollen jedoch im Sinne unseres Verstandes sinnvoll durchgeführt werden.
Daraus ergibt sich, dass für meine Trauungen, Namensgebungen, Jubiläen und Bestattungen, die ich zu begleiten habe, nur der korrekte Begriff „Event“ passend ist.
Es kann nicht sein, dass entscheidende Lebensübergänge, die mit hohen Erwartungen, viel Aufwand und oft auch hohen Kosten verbunden sind, mit falschen und irreführenden Begriffen vermittelt und durchgeführt werden.
Alle Events, die unser Leben betreffen, haben grundsätzlich eine erste Aufgabe, nämlich sie müssen unserem sozialen Eingebunden sein in unserer Welt dienen. Sie mögen noch andere Aufgaben erfüllen, aber diese eine Aufgabe stellt sich immer.
Konfuzius, der erste „soziologische Philosoph“, begreift als „Verwaltungsmann“ die Grundlagen einer funktionierenden Gesellschaft:
„Wenn die Sprache nicht stimmt, so ist das,
was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist.
Ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist,
so kommen die Werke nicht zustande.
Kommen die Werke nicht zustande,
so gedeihen Moral und Kunst nicht.
Gedeihen Moral und Kunst nicht,
so trifft die Justiz nicht.
Trifft die Justiz nicht, so weiß das Volk nicht,
wohin Hand und Fuß setzen.
Also dulde man keine Willkür in den Worten.
Das ist alles, worauf es ankommt.“
Konfuzius 551 – 479 v. Chr.
Wenn wir die besonderen Events unseres Lebens willkürlich als Rituale bezeichnen, verfälschen wir unsere Sprache, die die Basis eines gedeihlichen Gemeinwesens ist. Die Gleichgültigkeit unserer Sprache gegenüber hat in den Jahren nach dem letzten Krieg zu den anwachsenden Migranten-Problemen geführt, die endlich mit der Forderung nach ausreichenden Deutschkenntnissen bekämpft werden.
Aber auch innerhalb unseres eigenen Volkes muss das, was gesagt wird, auch das sein, was gemeint ist. Wenn die großen Events unseres Lebens sich in leeren Ritualen, in Pathos und Schwadronieren erschöpfen, darf es nicht verwundern, dass das Leben selbst seinen Wert und seine Würde in unserem Alltag verliert. Darum werden immer noch Freie Redner, wie mich, bestellt, bezahlt und gehört, damit genau das nicht passiert.
09.02.2015
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